Zugaben (3)
Im Rückblick auf mittlerweile viele Lebensjahrzehnte würde ich die Jahre 1982-85 als meinen persönlichen Tiefpunkt bezeichnen. Jedenfalls bis zum Zeitpunkt meiner Erkrankung. Irgendwie war bei allem die Luft heraus, ich entsprechend lustlos und im Vergleich zu den Vorjahren unternahm ich sehr wenig. Das hatte verschiedene Gründe, aber hauptsächlich, weil kurz nach dem Verschwinden der Aufbruchsstimmung in der Bonner Punkszene nun auch die rebellierende Jugend merklich im Niedergang war.
Anfang 1982 wurde eine neueröffnete Gaststätte am Rande der Bonner Altstadt zum Stammlokal der Bonner Punks. Diese nannte sich "Treibhaus", befand sich direkt hinter dem Stadthaus auf der Ecke Weiherstraße/Franzstraße. Die Betreiber kannten die meisten Punks zumindest vom Sehen, stammten sie doch teilweise aus der links-alternativen Szene oder deren Umfeld und waren im Vorjahr oft bei den vielfältigen Protestaktionen dabei gewesen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kneipenwirten hatten sie nichts dagegen Punks als Gäste zu akzeptieren. Das war in dieser Zeit eine seltene Ausnahme. Der damalige Treibhaus-Stammgast Samson meint hierzu: "In Bonn und Umgebung gab es für uns nicht viele Möglichkeiten sich zu treffen, wenn man nicht immer nur bei einem oder anderem zuhause hocken wollte. Die meisten Kneipen verwiesen uns der Tür, und wenn nicht waren wir eher nur geduldet als wirklich willkommen. Das änderte sich dann als das Treibhaus aufmachte. Wir hatten damals endlich so etwas wie einen Treffpunkt, bzw. es gab endlich eine Kneipe in BN, in der man als Punk nicht nur geduldet war. Die Betreiber kannten uns alle mit Namen und wir wurden wie normale Gäste behandelt." So war es auch kein Wunder, dass die Bonner Punks fast alle Stammgäste im Treibhaus wurden, oft auch auswärtige Punks die Lokalität bevölkerten. Gemeinsam gab man sich dem exzessiven Alkoholgenuss hin, und an Wochenenden war die Kneipe von Dutzenden Punks besucht die nicht selten einen Großteil oder gar die Gesamtheit der Besucher darstellten. Nach kurzer Zeit ging man dazu über sich schon Stunden vor Öffnung des Treibhaus im benachbarten Stadthaus zu treffen, dort Flaschen- oder Dosenbier zu trinken, Musik aus Kassettenrekordern zu hören und um wenn der Zeitpunkt der Kneipenöffnung erreicht war geschlossen ins Treibhaus zu gehen. Samson erinnert sich: "Als Alternative zum Kaiserplatz oder Berliner Platz wanderten wir zuweilen in die verwinkelten Passagen im Bonner Stadthaus. Grund: Am Kaiserplatz trieben sich oft Junkies und viele Penner rum. Auch waren die Ladenbesitzer am KP nicht sehr erbaut von unserer dortigen Anwesenheit. Und es war halt überdacht. Bei schlechtem Wetter war das Stadthaus ein guter Zufluchtsort. Auch konnte man da den Gettoblaster lauter machen, wenn der Bürobetrieb vorüber war." Schon damals dachte ich mir oft, dass es wohl kaum eine Kneipe im Rheinland geben würde, bei der bereits Minuten nach der Öffnung deren trinkfreudige Stammgäste in einer Gruppe von mehreren Dutzend Leuten wie Verdurstende ins Lokal drängten. So mancher Gastwirt träumt von einer solchen Situation… Aber da alles einem steten Wandel unterzogen ist blieb die Treibhaus-Idylle nicht davon verschont. In der zweiten Hälfte des Jahres 1983 stiegen einige Mitglieder des Betreiberkollektivs aus und eröffneten nur wenige hundert Meter entfernt zwei fast nebeneinanderliegenden Kneipen die die "phantasievollen" Namen Namenlos und Bla-Bla trugen. Auch in diesen Lokalitäten waren Punks erwünschte Gäste, blieben aber hier aufgrund des größtenteils studentischen Publikums stets eine überschaubare Gruppe. Gegen Ende 1983 schloss dann aus mir unbekannten Gründen das Treibhaus und ein Großteil der Punks wählte das Bla-Bla als neuen Treffpunkt. Über Jahrzehnte hinweg zählten Punks zu den regelmäßigen Besuchern, aber nie wieder erlebte ich im Bonner Raum eine derart von Punks dominierte Kneipe wie das Treibhaus.
Im vergangenen Jahr war die große Instandbesetzerbewegung Hauptbestandteil und Antriebskraft der Jugendrevolte gewesen. Nachdem es im Herbst letzten Jahres den staatlichen Kräften gelang sie in zwei unterschiedliche Flügel zu spalten, war ihr politische Schwung und damit der aktive Änderungswille vieler junger Menschen erlahmt. Aus einer rebellischen Jugend war eine resignierende geworden. Viele ehemals darin aktive Menschen zogen sich ins Private zurück, flüchteten in Drogen, Alkohol oder ein bürgerliches Leben. Auch bei den Punks war es so, allerdings dominierte bei den Meisten das Saufen.
In Bonn selbst spielte die neu eröffnete Kneipe Treibhaus eine tragende Rolle, wurde rasch zum Fixpunkt im täglichen Leben der Punks. Zum ersten Mal hatten wir in Bonn eine richtige Stammkneipe, in der nicht nur Punkrock gespielt wurde, sondern die auch fast ausschließlich nur von Punks besucht wurde. Für viele (ich nehme mich da nicht aus) wurde Saufen zum Lebensinhalt. Punk war anscheinend nur noch ein auffälliges Aussehen, aggressive Musik und Alkohol in Massen. Diese Entwicklung war nicht nur auf Bonn beschränkt, praktisch überall war es so. In ganz Deutschland nahm der Alkoholgenuss der Punks in diesen Jahren kultähnliche Züge an. Unzählige Punksongs spiegelten diesen wider, so zum Beispiel der Song Kleine Biere der Braunschweiger Band aus dem Jahr 1982. Ein Jahr später erschien sogar mit 20 schäumende Stimmungshits ein LP-Sampler der sich voll und ganz dem Thema "Trinken" widmete.
Aber auch das Aussehen der Punks hatte sich geändert. Waren noch zwei Jahre zuvor Kreativität, Eigeninitiative und Phantasie Markenzeichen des "Punklook" gewesen, konnte man kaum zwei oder mehr Punks sehen die sich gleich kleideten, hatte mittlerweile eine absolut gegenteilige Entwicklung eingesetzt. Praktisch jeder sah ähnlich wie sein Nebenmann aus, fast wirkte es als würden Punks eine Uniform tragen. Allgemein bevorzugt wurde der Sid Vicious-Style, also nietengeschmückte, selbstbeschriftete Lederjacken, die mit hochgestellten und oft gefärbten Haaren, Bundeswehrstiefeln und einer ramponierten Jeanshose kombiniert wurden (die später typisch für Punks gewordenen Irokesenfrisur war noch eine Ausnahme). Diese Reduktion auf ein bestimmtes Erscheinungsbild gefiel mir nicht. Folglich zog ich meine im Vorjahr praktisch täglich getragene Lederjacke nicht mehr an, kleidete mich immer mit gekürzten Bundeswehrjacken oder meiner noch aus Vorpunktagen stammenden Jeansjacke. Derartig gewandet suchte ich das Treibhaus auf, fiel folglich in der fast durchgängig lederbejackten Stammgastschar optisch auf. Ich war sozusagen zweifacher Außenseiter, unter Punks augenscheinlich "kein richtiger Punk", aber auch in der sonstigen Gesellschaft, da ich mir nach wie vor die Haare färbte und sie mit Seife aufstellte, außerdem stets abgerissene und mit deutlichen Gebrauchsspuren versehene Kleidung trug.
Zudem waren meine Geldprobleme als arbeitsloser Jugendlicher gravierend geworden. Ich wollte zwar arbeiten, aber halt eine Ausbildung machen. Das klappte aber nicht. Zu dieser Zeit herrschte ein akuter Lehrstellenmangel in der Republik und trotz Dutzender schriftlicher Bewerbungen wollte mich keine Firma einstellen. Ich hatte zwar keinerlei Einkommen oder Rücklagen, schaffte es dennoch immer stets genug Geld aufzutreiben um zur wöchentlichen Probe meiner neuen Band und am Wochenende nochmal nach Bonn zu fahren. Mit von meiner Mutter erbettelten 20 oder 30 Mark konnte man damals noch einen feuchtfröhlichen Kneipenabend finanzieren, es ging also. Aufgrund von Geldmangel und Unlust versäumte ich willentlich in den Jahren 82 und 83 den Besuch von später Kultcharakter annehmenden Gigs US-Amerikanischer Bands in der näheren Umgebung. Unverständlicherweise fuhr ich nicht zu den Konzerten der in Bad Honnef, sowie den Auftritten von Bad Brains und Black Flag im Kölner Stollwerk. Über diese Tatsache konnte ich mich schon wenige Jahre später aufregen und hätte mir wegen meines damaligen Verhaltens am liebsten in den Hintern gebissen. Deswegen kann ich auch im Rahmen meiner Berichte über diese Zeit nichts dazu sagen, obwohl ich es wirklich liebend gerne täte. Genauso zu den „Chaos-Tagen“ 1983, von denen ich zwar wusste (und vorher sogar Flugblätter dazu erhielt und sie im Treibhaus verteilte), bei denen ich aus den gleichen Gründen aber nicht war.
Zu was ich aber etwas sagen kann, ist das erste Konzert von im Jahre 1983. Damals schrieb ich darüber einen Artikel für die Bonner Perspektiven # 4. Leider ist das Heft eines der wenigen Bonner Fanzines aus dieser Zeit die sich nicht mehr in meinem Besitz befinden (mein Exemplar ging bei dem Wasserrohrbruch Anfang dieses Jahrhunderts ebenfalls hops), lediglich diesen von mir damals geschriebenen Konzertbericht und ein Bild des Covers sind auf meiner Festplatte zu finden. Schade. Aber zumindest habe ich den -Text noch...
Riss – Gesang
Samson – Gitarre
Manu – Bass
Pennmütz – Schlagzeug
? 1983
Bonn Uni-Mensa Nassestraße
Da der Samson mich förmlich zwingt mal was für die Bonner Perspektiven zu schreiben, will ich hiermit meinen Erlebnisbericht über das erste -Konzert zu Papier bringen.
Es war an einem Freitagabend, die Sonne schien glaub ich noch, und um sieben Uhr stand der Bonner Bierverein vorm Treibhaus und wartete auf Einlass. Niemand wusste so recht was der Rest des Tages noch so bringen würde, obwohl klar war, dass jeder der Beteiligten sich schon seelisch auf die ihn auf ihn zukommenden Gleichgewichtsstörungen vorbereitet hatte.(Anmerkung Meia 2015: Lediglich solche Gleichgewichtsstörungen hätte ich jetzt gerne, echt) Ganz normal war es auch noch, als die nette Frau Wirtin die Pforte öffnete und die Menge daraufhin die Zapfhähne umlagerte. Die nächsten Stunden wurden mit wissenschaftlichen Versuchen genutzt, die sich ausschließlich mit der Berechnung der Fallgeschwindigkeit von Bier in der Speiseröhre unter besonderer Beachtung des finanziellen Etats befassten.
Die Versuche waren noch in vollem Gange, als die Nachricht kursierte, dass eine Musik-Kombo namens in der Studentenhochburg Unimensa zum Tanze aufspielen wolle. Nach längeren Diskou… Dikuß… Disdus… Gelabere wurde man sich einig die Versuche dort weiterzuführen, da man erfahren hatte, dass die nötigen Hilfsmittel dort ebenfalls vorhanden waren. Am geheimnisvollen Ort angekommen, bemerkte man, dass die wissenschaftlichen Hilfsmittel zwar vorhanden waren, deren Qualität aber zu wünschen übrig ließ. Als die Gruppe zu spielen anfing wurden die Versuche nicht eingestellt, im Gegenteil, einige der Forscher versuchten krampfhaft die Wirkung von Erschütterungen auf ihr im Magen eingelagertes Bier zu untersuchen indem sie ihren Körper ruckartig bewegten und auch manchmal in die Luft sprangen, wohl um besonders starke Erschütterungen zu simulieren.
All dies geschah im Gleichklang mit der Musik, die von drei freundlichen jungen Herren vorgetragen wurde. Die Lieder waren schon allen bekannt und da der Sound zu wünschen übrig ließ war es kein so gutes Konzert, obwohl jeder die Qualität dieser Gruppe zu schätzen weiß und ihre bald erscheinende Langspielplatte mit Freude zu erwarten ist. Als aufhörten betrat eine neue Gruppe die nicht vorhandene Bühne: Die legendären , die an diesem Tage das Publikum mit ihrem ersten spontanen Auftritt beglücken durften. Allerdings gefiel die Musik dieser vier außerordentlich intelligenten, gutaussehenden und ordentlichen jungen Menschen dem Publikum nicht so sehr weil sie zu schnell war, so dass auch dieser Auftritt bald beendet war, da das Publikum nicht reagierte sondern in das Betrachten der Bierlachen auf dem Boden versunken war. Auch dieser Auftritt war schnell vorbei und nach einigen Bechern zu Versuchszwecken gespendeten Gerstensaftes machte man sich auf den Rückweg in das Hauptforschungszentrum Treibhaus da die Arbeit ja wieder rufte. Hierbei fiel dem Chronisten noch ein blondhaariger junger Mann auf, dem seltsamerweise der Auftritt von gefallen hatte und der immer wieder betonte, er werde jetzt der Manager dieser Gruppe. Nun ja, diese Bemerkungen kann man damit entschuldigen, dass dieser jumpe Mann sich in seinem wissenschaftlichen Eifer überarbeitet hatte, was man an seinem schwankenden Gang und den unkontrollierten Heiterkeitsausbrüchen bemerkte. Im Hauptlabor wurden die Versuche dann noch einige Zeit weitergeführt, aber da immer mehr Wissenschaftler sie aufgrund körperlichen Versagens einstellten, kam man mal wieder zu keinem konstruktiven Ergebnis. Egal, nächsten Freitag geht's weiter.
Soweit meine damaligen Worte. Da ich mehr über diese Band sagen wollte, aber bei meinen Aussagen nicht nur auf meine Erinnerung angewiesen sein wollte, stellte ich dem ehemaligen Gitarristen von Samson per Mail einige Fragen zur Band. Eigentlich wollte ich die Informationen in meinem Begleittext einfließen lassen, aber Samson antwortete so ausführlich, dass ich das gesamte Interview als einen eigenen Beitragsteil bringe. Also:
Ehemaliger Gitarrist von
Hm, ich sehe das als sehr komplexe Frage, weil man einmal das damalige Alter der Bandmitglieder berücksichtigen muss, dann die Infrastruktur in der Region um Bonn - damit meine ich vor allem die damalige Vernetzung der Leute in der Punk-Szene untereinander -, ebenso die Einflüsse durch andere Bands die wir zu hören bevorzugten sowie auch die allgemeine politische Situation auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene.
Wir waren vier junge Burschen, die gerne laute, schnelle, harte Musik mochten (und wahrscheinlich noch mögen), vor allem wenn sie mit sozialkritischen, politischen, hinterfragenden, wie auch einfach nur Grenzsituationen beschreibenden Texten verknüpft waren. Ich spreche von Bands wie , , Crass, Slime um nur einige wenige zu nennen. Mir persönlich reichte es nicht "nur" Herausgeber eines Fanzines zu sein. Ich wollte auch auf andere Weise das Maul aufmachen. Denn wir waren damals alle durch die damaligen Ereignisse geprägt, und als junger Mensch fühlt man sich schnell herausgefordert. Mit damaligen Ereignissen meine ich z.B. das Wettrüsten, Nato-Doppelbeschluss, Wechsel von Schmidt zu Kohl im Kanzleramt, Ronald Reagan, häufig wechselnde Kremlführung, Brokdorf, Naher Osten, Krieg zwischen Iran und Irak, Sowjets in Afghanistan, Revolution in Nicaragua, RAF erschüttert die Republik, der Falkland-Krieg, etc. Die Liste ist nahezu unendlich. Was ich sagen will ist, dass man als junger Mensch - ich war bei der Bandgründung junge 17 Jahre alt und auch der jüngste in der Band - sich mit so vielen großen Weltproblem überfordert fühlt und, einem Kassandrakomplex nahe, einfach ein Ventil braucht um nicht zu verzweifeln. Ich wollte lauten harten Sound, so wie oder G.B.H. machen. Ich hörte manch mal die "Why" oder die "Hear Nothing - See Nothing - Say Nothing" ohne Unterlass, in dem ich die Schallplatte immer und immer wieder umdrehte. So viel, um für mich zu sprechen.
Zu den Bandmitgliedern im Allgemeinen: Ich selbst hatte gerade die Mittlere Reife und wechselte danach aufs Gymnasium, Manu am Bass war auch auf einem Gymnasium, unser Schlagzeuger Pennmütz hatte die Hauptschule geschmissen und war arbeitslos oder machte die eine oder andere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch das Arbeitsamt mit. Über Dich, Riss, am Mikrophon weiß ich nicht mehr ob Du noch auf der Arbeitssuche warst oder schon in Ausbildung warst. (Anmerkung Meia: Am Anfang war ich arbeitslos, im zweiten Jahr dann Auszubildender.) Wie wir genau zusammen kamen weiß ich nicht mehr genau. Es war wohl an einem der Abende in der Kneipe Treibhaus in der Stimmung "Wir müssen endlich mal was unternehmen". Richtig spielen konnten wir damals alle noch nicht. Ich lerne ja selbst immer noch dazu.
In Bonn und Umgebung gab es für uns nicht viele Möglichkeiten sich zu treffen, wenn man nicht immer nur bei einem oder anderem zuhause hocken wollte. Die meisten Kneipen verwiesen uns der Tür und wenn nicht waren wir eher nur geduldet als wirklich willkommen. Das änderte sich dann als das Treibhaus aufmachte, deren Betreiber später dann das Bla Bla und das Namenlos eröffneten. Ebenso gab es auch wenig Auftrittsmöglichkeiten für Bands. Naja, und dann gab es halt noch den Kaiserplatz, der sich - neben dem heutzutage überbauten Berliner Platz am Stadthaus - damals als Freilufttreffpunkt etablierte. Man verabredete sich halt übers Telefon, oder ging spontan zu anderen, wenn man in der Nähe wohnte. Fanzines wurden republikweit über Austauschabonnements vertrieben. Gelegentlich gab es auch internationale Kontakte durch reisende Punks, oder knüpfte solche selbst wenn man auf Reise war. Möglichkeiten der Vernetzung, wie es sie heute über das I-Net gibt, hatten wir ja leider nicht. Wie gesagt, man verabredete sich um auf Konzerte zu gehen/fahren. Es gab nur wenige Punks mit Auto. Manchmal musste die Bahn ran oder man musste trampen.
Gute Frage. Ich würde sagen sowohl als auch. Wir waren jung und unerfahren und konnten kaum spielen. Unser Equipment war nicht das Beste, aber wir waren ambitioniert. Wir versuchten halt das Beste aus dem zu machen, was wir hatten. Oder auch nicht hatten, wie zum Beispiel ein Schlagzeug. Wir mussten immer einen Proberaum mit einer anderen Band nutzen in dem schon ein Schlagzeug stand, denn Pennmütz hatte keins. Das war damals überhaupt ein Problem: Schlagzeuger waren "Mangelware".
Viel dazu steht ja schon in der Antwort zu Frage 1. Der Musikstil war vor allem durch stark verzerrte Gitarre und schnellem Schlagzeugbeat geprägt. Ich persönlich war sehr durch die Musik von und G.B.H. inspiriert. Manche Leute nannten uns die Bonner und sprachen damit wohl auf den schnellen Beat des Schlagzeugs an.
Da ist wohl in unserer PR etwas schief gelaufen (muss lachen). Nein, ernsthaft würde ich sagen, es lag wohl an unserem bescheidenen Equipment. Wer lässt denn eine Band auftreten, die kein eigenes Schlagzeug mitbringt. Wir waren ja immer darauf angewiesen mit einer anderen Band, quasi als Trittbrettfahrer, zusammen aufzutreten. Auch hatten wir weder eine Gesangsanlage, noch leistungsfähige Gitarren- und Bassverstärker. Der 30 W Verstärker, den ich damals hatte, reichte ja schon im zweiten Proberaum nicht mehr. Viel zu wenig Wumms für einen Raum über 20 Quadratmetern. Ich spielte da zu Weilen über Jumbos Amp. Der Auftritt in der Mensa Nassestraße war ja auch so strukturiert. Da spielte ich über Dominiks (Canal Terror) Verstärker. War schon geil endlich guten Sound zu haben. Anders als der Auftritt mit im Jugendzentrum Andernach. Zudem ich meinen kleinen Comboverstärker geschleppt hatte. Der Raum in dem wir da auftraten war eher klein. Da reichte das kleine Ding noch. Heute puste ich mit meinem Marshall alles weg.
Das genaue Datum weiß ich nicht mehr. Es war wohl im Frühjahr 1984. Außer uns waren auch Rabatz im Proberaum. Wir wollten eigentlich ein Demo-Tape aufnehmen. Dazu spielte ich über Jumbos Röhrenamp. Wir hatten nach einigem Hin und Her einen halbwegs vernünftigen Sound ohne Rückkopplung und anderer technischer Mängel und legten ganz gut los. Als einige Songs auf Band waren und wir gerade das Intro zum Song Vorurteilslos angestimmt hatten, trat Pennmütz plötzlich Mannis (Rabatz) Schlagzeug um und ließ sich lauthals darüber aus, dass ihm die Songs zum Hals raus hingen und er sie nicht mehr spielen wollte, das Equipment und der Sound Scheiße wären und er die Band verlassen wollte. Tja, dumm gelaufen. Das hatte sich allerdings die Monate davor zunehmend angebahnt, denn die Kommunikation innerhalb der Band hatte mehr und mehr nachgelassen.
Da Samson im Interview praktisch alle zum Thema relevanten Aspekte genannt hat möchte ich nur noch zwei von ihm nicht gesagte Dinge und eine kleine Anekdote aus späteren Jahren erwähnen:
- Wir spielten lediglich noch einen zweiten Gig, im Frühjahr 1984 im einige Kilometer südlich von Bonn gelegenen Andernach. Dort traten mehrere Bands auf, unter anderem eine Skinheadband aus Neuwied (Name der Band vergessen). Diese Tatsache finde ich im Rahmen der damaligen Entwicklung bezeichnend, auch dass es während des Konzertes einige Auseinandersetzungen zwischen Punks und Skins gab (Einmal musste der kleine Konzertraum von allen fluchtartig verlassen werden, da er mit Tränengas eingenebelt war).
- Der Bandname von geht nicht auf den gleichnamigen -Song zurück. Angesichts der bekannten Konservenmarke "Bonduelle" drängte sich dieses Wortspiel förmlich auf. Also eher "Zwei Dumme, ein Gedanke".
- Ende der Achtziger spielte ich Schlagzeug in der Speedcoreband Nevertheless aus Siegburg/Troisdorf. Irgendwann erzählte mir der Gitarrist der Band, dass früher ein Mädchen in seiner Schulklasse gewesen war deren punktypisches Aussehen er bewundert hatte. Nachdem er sie angesprochen hatte, antwortete sie auf die Frage was für Musik sie denn mögen würde, mit "Ich höre nur und !". Grins. Ich wusste damals gar nicht, dass wir mit sogar Fans hatten…
Was im nächsten Beitrag kommen soll: Da in den 1984 erschienenen Bonner Perspektiven # 5 auch ein Artikel über die bis dato recht unbekannte Bonner Band Rabatz veröffentlicht wurde, animierte mich der Bericht zum Verfassen eines eigenen Artikels über diese Band, die seit einigen Jahren wieder aktiv ist und mittlerweile eine neue LP herausgebracht hat. Diese Geschichte muss auch erzählt werden…