Schlussakkorde (2)
Das im September des Jahres 1981 in der Bonn-Friesdorfer Gaststätte "Nam Nam" stattfindende dritte -Festival sollte das letzte seiner Art werden. Aber das wusste natürlich vorher noch niemand, ebenso dass es das letzte von fast allen Punks aus Bonn und Umgebung besuchte Punkkonzert in speziell dieser Lokalität werden sollte. Dabei war die Vorfreude auf einen spaßreichen Abend recht groß, denn für -Verhältnisse sollten erstaunlich viele Gruppen die halbwegs pogotauglichen Gitarrenpunk spielten dort auftreten, die künstlerische Synthesizer-Fraktion diesmal weniger vertreten sein. Aber anstatt ein langes Vorwort zu schreiben komme ich lieber direkt auf die Ereignisse des Abends zu sprechen und lasse daher S. sofort zu Wort kommen, der damals im Tiefschlag 6 schrieb:
19.09.1981
Bonn Nam Nam
Es ist jetzt Sonntag, 10 Uhr abends und ich hab immer noch ne Stinkwut in Bauch. Also, am besten der Reihe nach: Gestern, Samstag, 19.9. fand in Godesberg das statt. Angesagt waren 7 Gruppen und da in Bonn im Moment an Konzerten kaum was läuft konnte man mit einem interessanten und alkoholreichen Abend rechnen. Naja, Jedenfalls fuhren Riss und ich so um 16 Uhr runter nach Friesdorf und durften uns dann noch so anderthalb Stunden langweilen, ehe wir reingelassen wurden.
Als erstes spielten Penaten-Creme aus Troisdorf. Es war ihr erster Auftritt vor größerem Publikum und ich muss sagen, dass man ihn eigentlich als gelungen bezeichnen kann. Vom musikalischen Teil her konnten sie jedenfalls voll überzeugen, obwohl sie alle noch ein bisschen unbeholfen und schüchtern wirkten, aber das ist ja verständlich. Schade war nur, dass sie auf so wenig Resonanz im Publikum stießen, aber das lag wohl daran, dass erstens zu diesem Zeitpunkt noch zu wenig Leute da waren und zweitens, weil viele Leute glaubten, dass Penaten-Creme eine reine Pogogruppe wäre, was man ja wohl nicht behaupten kann. Trotzdem ernteten sie zum Schluss ihres Auftritts freundlichen Beifall, mir haben se jedenfalls echt gefallen.
Da manche Leute ein absolutes Pogobedürfnis in sich verspürten, sahen sich Canal Terror gezwungen, ne kleine Spontaneinlage zu geben. Alles, was man dazu sagen kann ist, dass sie 3 Stücke spielten, und dass die Pogomeute voll auf ihre Kosten kam.
Bevor dann die Popstars aus Neuss anfingen, kamen noch einige Leute rein und erzählten, dass ca. 30 Punx in Bullenpräsidium festsäßen, da sie beim Schwarzfahren erwischt wurden. Unter ihnen auch Sid W., Schmunzel und einige andere Bekannte. Dies sei nur nebenbei erwähnt. Die Popstars jedenfalls warn nich schlecht, ziemlich professionell und ziemlich hart. Leider spielten sie viel zu lange, so dass es am Ende langweilig wurde und mehr Leute draußen als drinnen waren.
Die Dagowops dann warn überhaupt die beste Gruppe. Die ersten drei, vier Stücke spielten sie ohne Bassisten, doch dann half ihnen der Bassist der Bonner Gruppe Schlachtvieh aus. Das war echt total lustich, da der Bass total mies war, er auch natürlich kein einziges Stück kannte und aus diesem Grunde die ganze Zeit nur rumgrinste. Bis auf diese kleine Tatsache war der Sound doch recht gut und dem Publikum gefiel es sehr gut, sogar den Punx.
Zu Amy and the Angels und den restlichen Gruppen kann ich nichts sagen, da ich von Amy nur 2 Stücke hörte.
Dann, als ich gerade draußen war, fing die Rockergruppe Leviathans an Ärger zu machen. Benno und zwei oder drei andere die auf nem VW rumsaßen bekamen total die Fresse voll, weil se angeblich ne Beule reingemacht hatten, als ich dann sah wie die Rocker so nette Sachen wie Knüppel, Baseballschläger und Motorradketten herausholten bin ich erstmal schnell zum Auto gegangen. Wenn solche Schränke nämlich anfangen rumzuprügeln versagt mein Heldenmut. Jedenfalls sind ich, Riss und Beri-Beri und Stalin aus Minden dann abgehauen. Später im Snoopys erfuhren wir, dass wir noch Schwein hatten da wir so früh abgehauen sind. Etliche Punx und andere haben noch total was auf die Fresse gekriegt, der Jello hat nen Knüppel aufn Kopp gekriegt, der Volker nen Knüppel mitm Nagel drin innen Arm und den Jürgen von Synthetico haben se zu vier Mann total zusammengeschlagen. Als dann noch die Bullen kamen wurden erstmal die Personalien der Punx überprüft, den Rockern geschah natürlich nichts. Hierzu kann ich nur noch sagen: Leute, boykottiert den Laden, da die Eintrittspreise und die Bierpreise sowieso viel zu hoch sind kann es dem Gert Gast gar nich schaden wenn er die Punx nicht mehr ausbeuten kann. Allein schon aus gesundheitlichen Gründen kann man da nicht mehr hingehen, zu Buttocks am 5.10. will jetzt schon kein Bonner mehr hin.
Wer jetzt glaubt, dass die Geschichte zu Ende ist, den muss ich leider enttäuschen, denn es ging noch gut weiter. Nachdem im Snoopys nix los war, sind wir noch zu ner Fete in Oedekoven gefahrn. Es war unheimlich voll, vorher hatte man noch zehn Kästen Bier organisiert und daher herrschte recht gute Stimmung. Plötzlich stehen unten im Hauseingang dieselben Bullen die ich vorher nachm Weg gefragt hatte, und meinen "Wenn nicht bald Ruhe herrscht wird es Ärger geben". Naja, nachdem man …… mal wieder nur grade mit äußerster Mühe davon zurückhalten konnte die Bullen rauszuprügeln, ziehen sie dann auch zur Erleichterung aller wieder ab und das Besäufnis geht seinen Gang. Ollie prügelt sich mit einem Duisburger und fängt sich ein total zugeschwollenes Auge ein, Peter frisst Kitekat Katzenfutter aus der Dose und Manü und ich versuchen uns als Köche und stellen Karamell her. Dann, als ich grad draußen am Auto bin, seh ich, wie da total viele Bullenautos vorfahrn. Ich geh zu den Bullen hin und frag was los ist. Daraufhin bekomme ich lediglich zur Antwort "Wir machen eine Hausdurchsuchung".
Ich renn rein, sag den andern Bescheid. Als wir gerade alle Türen zumachen, sehen wir, dass das ganze Haus umstellt ist. Alle rennen nach oben, plötzlich kracht´s, die Bullen haben die Nebeneingangstür aufgebrochen und fordern alle auf runter innen Hof zukommen. Als einige Leute die Treppe zu langsam runtergehen, werden diese einfach runtergeschmissen und knallen mitm Kopp gegen einen Schrank. Im Hof dann werden von allen die Personalien aufgeschrieben. Einige Leute, die nicht gerade begeistert davon sind um Viertel nach Vier von diesen grünen Hampelmännern geweckt zu werden, werden sauer, in der Küche kommt es zu einer Diskussion, wobei …… was in die Fresse kriegt, daraufhin sieht sich jemand gezwungen, dem größten Bullenarschloch in die Fresse zu haun. Als ich den Einsatzleiter fragte woher sie sich das Recht nähmen hier einfach einzubrechen, meinte der es läge ne Anzeige wegen Hausfriedensbruch (!), Ruhestörung und Sachbeschädigung vor. Haha, Hausfriedensbruch! Ich wusste nicht, das es Hausfriedensbruch ist wenn jemand eine Fete gibt, den Hausfriedensbruch haben wohl die Bullen begangen, indem se einfach die Tür eingetreten haben, eine eingetretene Tür und ne ziemlich demolierte Küche ist das Resultat dieser Aktion. Durchsuchungsbefehl hatte die Nanna (das war jene, die die Fete gemacht hatte) auch nicht gesehen. Jedenfalls waren wir stinksauer als die Bullen abzogen, und ich musste noch ins Krankenhaus fahren, weil der Jello mit seinem schon angeschlagenen Kopf von den Bullen die Treppe runtergeschmissen wurde, war zum Glück nich so schlimm, auch das mit Ollies Auge. Im Krankenhaus kamen nochmal vier Bullen an und wollten uns ausfragen woher die Verletzungen stammen, wir haben uns natürlich nicht provozieren lassen und haben nix gesagt, Adressen haben se natürlich auch wieder aufgeschrieben. Dann sind wir zurückgefahren, die meisten Leute waren natürlich am pennen und da sowieso nix mehr los war, sind Riss und ich um sieben nach Haus gefahren. Mal gucken, ob das noch nen Nachspiel hat. Wenn, dann aber höchsten für die Scheißbullen, die einfach bei anderen Leuten einbrechen. Ich glaube, wir leben doch in einem Rechts-Staat. (Man beachte: Rechts-Staat mit Bindestrich).
P.S. Wir grüßen die Wilhelmshavener (hallo Marco) und die Mindener Kämpfer und alle andern die wir kennen.
Das Geschehen sorgte natürlich für ein Echo in mehreren Zeitungen. Zu meinem Erstaunen wurden allerdings lediglich die Ereignisse in Oedekoven erwähnt, nicht die Zerschlagung des -Festivals durch eine wildgewordene Rockergang. Das passte wohl nicht in die damalige mediale Weltsicht, in der Punks immer "Täter" waren und nicht plötzlich als "Opfer" dargestellt werden konnten. Wieder einmal wurde nur einfach und kritiklos der Polizeibericht abgeschrieben, in dem diese eigene Aktivitäten immer im besten Lichte darzustellen pflegten. Außerdem wurde mal wieder – typisch für die stets um Auflage und Leser bemühten Zeitungen – völlig übertrieben. Von "Ruhestörung" konnte keine Rede sein, denn im Haus befand sich keine Stereoanlage, sondern nur ein kleiner Monoplattenspieler. Der "am Kopf verletzte" Beamte hatte nur ein blaues Auge, aber da Augen in der Regel am Kopf befestigt sind kann man es so nennen. Ebenso spiegelte die in den Artikeln genannte Zahl der Punks nur die Anzahl der Anwesenden wider (Jedenfalls jene die von der Polizei entdeckt wurden. Als die Staatsdiener wieder weg waren, tauchten plötzlich einige freudestrahlende Punks auf die sich unter einer Falltür versteckt hatten und der Personalienfeststellung entgangen waren). Auch die "größere Gruppe von Punks" die die Polizisten angriff ist eine Überdramatisierung des tatsächlichen Geschehens. Meines Wissens nach war es nur ein einziger Punk der in einer spontanen Aktion für eine farbliche Umrandung eines Beamtenauges sorgte. In typischer Manier wurde also ein blaues Auge zu einer Massenschlägerei aufgeblasen. Jede zweite Kneipenschlägerei ist da von Beteiligten und Folgen her weitaus heftiger.
Zwar fand nach 3 Anfang Oktober noch ein bereits organisiertes Buttocks-Konzert im "Nam Nam" statt, aber die hierbei recht geringe Besucherzahl von ein oder zwei Dutzend Leuten verwunderte nicht. Die meisten Punks blieben an diesem Abend lieber an ihrem Innenstadttreffpunkt oder ganz zu Hause als sich bewusst der Gefahr körperlicher Schäden auszusetzen. Logischerweise war dieses Konzert auch für den Veranstalter (Rock e.V.?) ein finanzielles Minusgeschäft, und es sollte das letzte dort stattgefundene Punkkonzert sein. Jedenfalls hörte ich nie wieder von einem dort stattfindenden Bandauftritt. Verständlich, kein Veranstalter hatte Lust Punkkonzerte an einem Ort auszurichten der vom potentiellen Publikum tunlichst gemieden wurde. Die längerfristigen Folgen des Verlustes der beiden wichtigsten Veranstaltungsorte wurden den Punks erst im Folgejahr richtig bewusst. Hatten 1980/81 Punkkonzerte sehr häufig an einem der beiden Orte stattgefunden, war das Angebot in dieser Hinsicht in den Jahren danach recht dürftig. Konzerte fanden nur noch sporadisch und in stets wechselnden Lokalitäten oder im Rahmen irgendwelcher Universitätsveranstaltungen statt. Dies änderte sich erst Mitte der achtziger Jahre, als in der Gaststätte "Namenlos" und später in der nebenanliegenden Kneipe "Bla" verstärkt Punkkonzerte veranstaltet wurden.
"Der Meia muss bestimmt sehr viele alte Fanzines haben…", mag manch einer von euch denken. Stimmt fast. Ich HATTE sehr viele alte Fanzines, jedenfalls bis Anfang dieses Jahrhunderts, dann plötzlich nicht mehr. Im Laufe der Jahrzehnte hatten sich sehr viele Zines angesammelt, es müssen Hunderte gewesen sein, von Ende der Siebziger bis Anfang des Jahrtausends. Da meine damalige Wohnung sehr klein war und die Fanzinemengen unnötigen Platz wegnahmen, packte ich fast alle in Kartons und stellte diese in den Keller. Nur eine kleine Auswahl von Zines behielt ich oben in meiner Wohnung, hauptsächlich im Laufe der Jahre selbst herausgebrachte Hefte oder solche die Gastbeiträge von mir enthielten. Der Rohrbruch einer Wasserleitung der Stadtwerke direkt vor meinem Kellerfenster vernichtete die zeitdokumentarische Sammlung, denn unaufhörlich strömte Wasser durch jenes in meinen Abstellraum. (Labermeia: Ich muss wirklich ein sehr dummes Gesicht gemacht haben, als ich abends in die Küche ging, dort zufällig aus dem Fenster blickte und einen mehrere Meter breiten Fluss am Rande des Parkplatzes sah, wo kurze Zeit vorher noch ein fußgängerzonenartiger Gehweg gewesen war) Es war wirklich sehr viel Wasser. In der gesamten Kelleretage stand es kniehoch und meine auf dem Kellerboden stehenden Fanzinekartons hatten sich in schleimige Klumpen verwandelt. Diese konnte ich später nur wegwerfen, was sehr ärgerlich war, denn wie gesagt waren es sehr viele Zines, darunter zum Beispiel alle Ausgaben des ZAP, von 1979 stammende Exemplare des Bremer Schunt oder der Orgienpost aus Hamburg, sowie kleine, meist nur einmal erschienene Zines aus dem Bonner Raum Anfang der Achtziger, zum Beispiel Prof. Kogis Flaschenpost (Treibhauszeit, so ca. 82 oder 83). Tja, wie gewonnen so zerronnen.
Aber auch die Punkszene selbst hatte sich in den letzten Monaten verändert. Kaum noch etwas erinnerte mehr an die des Vorjahres, als fast jeder der sich dort treffenden Punks irgendetwas Kreatives machte, in einer Band spielte oder für ein Fanzine schrieb. (Labermeia: Zeitweise gab es in Bonn Mitte 1981 vier Fanzines, Tiefschlag, Datenverarbeitung, Absperrkette und Bonner Perspektiven. Nicht schlecht für eine nur wenige Dutzend Köpfe umfassende Punkszene.) Mittlerweile hatte die Industrie "Punk" als neuen Trend entdeckt und begann die wachsende Zahl junger Punks mit den begehrten Artikeln zu versorgen. Kaum einer machte sich das was er haben wollte noch selbst, lieber wurde es einfach irgendwo gekauft. Außerdem kam es durch die mediale Berichterstattung der Vormonate die Punks die Rolle des "neuen Bürgerschrecks" zuwies zu einem nicht enden wollenden Zustrom von Jugendlichen die sich nun als Punks bezeichneten. Das gefiel manchen nicht. (Der Songtext von "Frisch aus England" von der Hannoveraner Band Blitzkrieg auf dem zweiten Soundtracks zum Untergang-Sampler thematisiert dieses Ärgernis. ) (Labermeia: Gerade in Großstädten erschienen plötzlich reihenweise minderjährige Punks auf der Szene die sich alle mit der gleichen Legende brüsteten. Die meisten waren angeblich bereits 1977 vom Punkvirus befallen worden als sie bei einem Londonbesuch dort zufällig die Sex Pistols live sahen. Am auffälligsten wurde diese Vergangenheitsdichtung als in einem Artikel in der Jugendzeitschrift Bravo vier 12 – 14jährige Münchner Kid-Punks porträtiert wurden die sich alle mit diesem erdachten Lebenslauf präsentierten. Anscheinend hatten die Sex Pistols in jenem Jahr hauptsächlich in Schuldlandheimen und Jugendherbergen vor Horden deutscher Kinder gespielt, die den durch die ungehobelte Musik vermittelten Geist der Rebellion begierig in sich aufgesogen hatten. Naja, keine Ahnung, ich selbst war 1977 erst 14 und machte meine ersten Schritte als Fußballfan, also war ich damals auf einer völlig anderen Baustelle.)
Leider waren die meisten der Neuhinzukömmlinge konsumwillige und profilierungssüchtige junge Menschen die das nur Punkoutfit nutzten um ihre pubertäre Rebellion auszuleben und um als "hart" angesehen zu werden. Zudem verhielten sich viele um von anderen Punks als vollwertige Mitglieder der Gruppe angesehen zu werden entsprechend der Eigenschaften die sie für "richtig Punk" hielten, aber in Wahrheit nur von den Medien vermittelte Klischees waren. Destruktivität und häufige aus angeblicher "Wut auf die Gesellschaft" begangene Sachbeschädigungen waren die Folge. Auch mit Vorurteilen behaftete und rechtsradikale Jugendliche tauchten verstärkt in der Szene auf und bezeichneten sich nun als "Punk". Offenbar unterlagen sie dem Trugschluss, dass von einzelnen Punks gezeigte Hakenkreuze Rückschluss auf die Ideologie der Gesamtgruppierung boten. Dieser Trend gefiel mir überhaupt nicht, sah ich die Punks doch als Teil der anwachsenden linksradikalen Instandbesetzerbewegung an. Sogar kleinkriminelle Jugendliche schlossen sich in jener Zeit manchmal der Punkszene an und trugen nun eine nietenbewehrte Lederjacke mit der obligatorischen "Sid lebt"-Sprühaufschrift. (Labermeia: Letzteres ist keine Übertreibung oder Effekthascherei. Ich erinnere mich da zum Beispiel an jene zwei Spezialisten die im Bonner Hofgarten einen älteren Mann ausrauben wollten. Als dieser dann frisch bedroht eine schussbereite Pistole zückte schauten die beiden dumm aus der Wäsche. Da waren sie doch glatt an einen Zivilbullen geraten. So ein Pech aber auch…)
Das war nicht mehr "mein" Punk, jene Sache für die ich in den Vorjahren enthusiastisch und voller Tatendrang die seltsamsten Dinge gemacht hatte. Folglich stellte ich die Herausgabe des Tiefschlag ein, ließ das Fanzine sterben. Um andere bundesdeutsche Fanzinemacher von diesem Schritt zu unterrichten und um zu verhindern, dass diese sich in unnötige Kosten stürzten und mir mehrere Exemplare ihres eigenen Zines schickten, fertigte ich einen Abschieds-Rundbrief an und versendete ihn an alle mir bekannten Adressen. Interessanterweise sind Teile des Briefes in dem 1982 erschienenen Buch Punk – Die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt abgedruckt. Ich fand es jedenfalls witzig Worte zu lesen die ich vor über dreißig Jahren gesagt hatte.
Natürlich war dies das letzte jemals stattgefundene , und nach Einstellung des Tiefschlag nahm auch der Kontakt zu Rock e.V. immer mehr ab bis dieser Verein kurze Zeit später dann völlig meiner Vergangenheit angehörte.
Spekulation: Rock e.V. organisierte nach diesem Desaster keine Punkkonzerte mit einzelnen Bands mehr, jedenfalls sind mir keine bekannt. Auch für größere Festivals fehlten die dafür nötigen Räumlichkeiten. Ich erinnere mich daran, dass bereits Monate vorher von den Konzertorganisatoren des Vereins überlegt wurde, in der Tradition der in den siebziger Jahren aufgekommenen "Umsonst und draußen"-Festivals eine Musikveranstaltung mit freiem Eintritt und unter freiem Himmel durchzuführen. Eine passende Örtlichkeit drängte sich auf: Mit den "Rheinauen" stand mit dem Gelände einer ehemaligen Bundesgartenschau in riesiges Parkgebiet im Bonner Süden zur Verfügung. Ich weiß nicht ob sich der Rock e.V. auflöste oder er in der neuen Organisation aufging, aber auf alle Fälle wurde 1982 der VBR (Verein Bonner Rockmusiker e. V. ) gegründet und dieser neue Verein verwirklichte ein Jahr später jene Idee. Folglich fand 1983 in den "Rheinauen" das erste Festival namens "Rheinkultur" statt, und meines Wissens nach spielten auch dort. Eine interessante Spätfolge prügelnder Rocker.
Eigentlich könnte die Geschichte ja hier enden, aber bekanntlich verschwand ich nicht wie so viele Punks der ersten Bonner Szenestunden abschiedslos im bürgerlichen Sumpf, war die Sache mit "Punk" für mich nicht vorbei. Mit der Einstellung des Tiefschlag endete nur eine Phase. Es sollten nur einige Jahre ins Land gehen bis ich wieder ein Fanzine herausbrachte, genauer gesagt dauerte die (fast) betätigungslose Zeit bis Mitte der achtziger Jahre. Aber damit die Geschehnisse der Zwischenzeit nicht völlig undokumentiert bleiben folgen nun noch einige Artikel aus dem bis 1984 erschienenen Fanzine Bonner Perspektiven, natürlich mit freundlicher Genehmigung des damaligen Herausgebers Samson (Er war einer der ersten Punks 1980 am Berliner Platz und ist u.a. ehemaliges Mitglied der "Bonner Hardchöre"). (Labermeia: Wo ich gerade diesen Bandnamen lese... Es war zwar ein oder zwei Jahre später, aber erinnert sich noch jemand an die “Bonner Kloknaben“? Wenn 1982 oder 83 an einem getränkeintensiven Wochenendabend im "Treibhaus" plötzlich mehrstimmiger Gesang aus dem Herrenklo ertönte und Bergmannslieder intoniert wurden gab der bierselige Spontanchor wieder sein Repertoire zum Besten. …) (FÜR PUNKHISTORISCH INTERESSIERTE MENSCHEN: Die Bonner Perspektiven waren zwar ein Fanzine eines pogophilen Lederjackenträgers, diese Ausgabe enthält aber trotzdem Reviews, Bandinterviews sowie Konzertberichte aus der punknahen Künstler/Avantgarde-Szene. Beide Flügel der Punkszene in einem Heft vereint war in dieser Zeit eher die Ausnahme.) Also folgt als nächstes ein Artikel aus der zweiten Ausgabe dieses Zines. Jener handelt über einen Ende 1981 im Bonner Snoopys stattgefundenen Auftritt der Kölner Band . Diesen Gig hatte ich schon fast vergessen. An was man sich alles so erinnert wenn man alte Zines liest...