Immer weiter (4)

Auch den nächsten Konzertbericht kann ich nicht mehr haargenau datieren, aber wahrscheinlich fand diese Fahrt im Frühjahr 1981 statt. Duisburg war in jenem Jahr eines der bevorzugten Reiseziele von S. und mir. Die Stadt lag recht nah an Bonn, war per Auto oder Zug leicht zu erreichen, beheimatete eine sympathische Punkszene und es gab sogar ein kleines von Punks besetztes Haus. Außerdem reisten bei größeren Konzerten immer viele Punks aus dem benachbarten Düsseldorf und dem gesamten Ruhrgebiet an. Grund genug für uns also um zu viert dorthin zu trampen nachdem die Information über eines im New Expresso stattfindenden Auftritts vierer mehr oder weniger bekannter Bands erreicht hatte. Im Tiefschlag berichtete ich wie folgt darüber:

Irgendwann im Frühjahr 1981

Duisburg New Expresso

Willi Wucher kann es wohl nicht lassen trotz allen Problemen weiter Festivals zu organisieren. Dieses war bereits das dritte und ein viertes soll Anfang der Sommerferien im Eschhaus stattfinden. Aber jetzt zurück zum eigentlichen Bericht. Wir, S., Ollie, Nof und ich trampten von Siegburg nach Duisburg und irrten dort erstmal ziemlich lange herum bis wir den Laden fanden. Das New Expresso ist eine ziemlich kleine Pinte mit 'ner kleinen Bühne, 'ner kleinen Tanzfläche, einigen Tischen und 'ner Diskokugel an der Decke. Da die Bühne etwas erweitert wurde, hatte dann doch noch die ganze Anlage Platz, und es begann auch ziemlich pünktlich so um halb acht rum als schon ziemlich viele Punx da waren, als (kommen irgendwo aus dem Ruhrgebiet her) anfingen. Die spielten in ziemlich kleiner Besetzung, Bass, Schlagzeug und Gitarre/Gesang. spielten Pogo (ich hatte auch nichts anderes erwartet), doch leider konnte man diesen Auftritt wohl leicht abschreiben, da es auf der Bühne zu eng war und es dauernd zu Rückkopplungen kam und der Gesang auch kaum zu verstehen war. Trotzdem gefiel mir die Musik ganz gut, nur leider war das Publikum oder zumindest ein Teil davon ziemlich bescheuert, da sie wohl für den schlechten Sound verantwortlich machten. gaben dann noch zwei oder drei Zugaben und hörten dann mehr oder weniger frustriert auf. Danach sollten eigentlich die Aheads spielen, doch leider lösten sie sich vor ihrem Auftritt auf und damit war also nichts mit Aheads an diesem Abend. Es gab erstmal eine längere Pause, da erstmal ne PA oder sowas ähnliches (ich kenn mich da nich so aus) besorgt werden musste, damit der Sound erträglich wurde. In dieser Zeit beschäftigte ich mich erstmal mit dem Altbier das es dort gab, überhaupt gibt es dort überall Alt (schleck) und das finde ich auch gut so, nur Bockbier ist scheinbar schwer aufzutreiben. Schließlich nach über einer Stunde fingen die Razors – ‎ Subway dann doch noch an, es gab sofort den totalen Pogo und nach vier Liedern war ich wieder einmal total geschafft. Die spielten fast alle Songs von Ihrer LP und auch noch einige andere mir unbekannte Stücke, aber alles natürlich im bekannten -Stil. Ich erholte mich erstmal in der nicht weit entfernten Frittenbude von den . Nach einiger Zeit kamen dann auch noch S. und Ollie und wurden dann von Willi Wucher mit Senf beschmiert (ob der die beiden würzen und auffressen wollte konnte ich nicht erfahren).
Danach dann die Gruppe des Abends: ! Ihre EP fand ich ja schon sehr toll, ich hatte schon zweimal live gesehen, aber beide Male hatte ich nicht allzugut aufgepasst oder war zu besoffen, weil ich mich nicht sehr richtig dran erinnern kann. Aber jedenfalls schaute ich sie mir an diesem Abend mal ganz genau an und fand sie wirklich stark. Am besten gefielen mir die Pogosongs wie Langeweile, Rocker, Es tut weh usw., aber auch Ich hab Hass Hass - Ich hab Hass fand ich super. Der Drummer von ist ungeheuer lustig und schneidet Grimassen und hampelt hinterm Schlagzeug rum, mir fiel aber auch auf, dass wieder einige Leute Ärger machen wollten und mit dem -Sänger eine Bierschlacht veranstalteten. Außerdem wurde bis auf Rocker bei keinem Lied voll gepogot, scheinbar mögen viele Leute aus Duisburg und Umgebung nicht sosehr. Einem Gerücht nach sollen ja 'ne LP rausbringen, ich will hoffen das dass stimmt. Clox - For you and me - LP spielten dann als letzte Gruppe. Ich hatte Clox noch in guter Erinnerung von ihren Auftritten in Düsseldorf und im Eschhaus, doch was sie an diesem Tag brachten war einfach peinlich. Die Songs waren mit Solis gespickt, der Gitarrist zog die totale Hardrockshow ab und versuchte am Ende des Gigs sogar seine Gitarre kaputtzuschlagen, aber ich habe genau gesehen, dass er sie immer so auf den Boden haute, dass sie einfach nicht kaputtgehen konnte. Wär ja auch schlimm gewesen. Einzig die Herumspringerei von Sänger Steve war noch ganz lustig, doch insgesamt hat es mir nicht so sehr gefallen. Clox fanden auch keinen großen Anklang beim Publikum, es gab kaum Pogo und Stimmung war auch nicht vorhanden.
So um zwölf war 's dann zu Ende und wir fragten uns natürlich wo wir pennen sollten, denn die letzte Bahn Richtung Bahnhof war schon weg. Schließlich gelang es S. doch noch, einen Pennplatz für uns zu finden, wir lagen dort in einem alten Haus zu fünfzehn Mann in einem Zimmer rum, das Radio lief die ganze Nacht und an pennen war natürlich nicht zu denken. Duisburg-Hamborn ist echt ne Scheißstadt, S. und ich liefen nachts um drei 'ne halbe Stunde dort rum und suchten ne offene Kneipe oder 'ne Tankstelle wo wir uns etwas zu saufen hätten holen können, aber sowas gab es dort nicht, erst um sechs machte 'ne Tankstelle auf und wir konnten mit dem Frühschoppen beginnen. (Nof ist ne lasche Sau, statt noch ein bisschen Fun zu machen pennt er lieber die ganze Nacht rum)! Vormittags fuhren wir dann zurück in die Heimat, wobei S. im Zug noch für ein lustiges Ereignis sorgte. Wir saßen in 'nem Abteil rum und langweilten uns, als S. plötzlich aufstand und was von "ausm Fenster pissen gehen" rumlallte (der Frühschoppen war zu hart für den armen, kleinen S.). Als er nach ungefähr einer viertel Stunde immer noch nicht aufgetaucht war und wir schon fast in Köln waren, ging ich ihn mal suchen und fand ihn einige Abteile weiter schon fest am knacken. Als ich ihn aufweckte wusste er natürlich wieder mal von nichts. Im Großen und Ganzen war dieser Trip nach Duisburg mal ganz lustig und 'ne gute Abwechslung. An dieser Stelle grüße ich dann noch den Tommi Schnorrer und alle die anderen, die wir in Duisburg kennengelernt haben und jetzt hör' ich auf.

Cover Hass LPCover Artless-EP

Wer sich bewegte Bilder über die Duisburger Punkszene jener Tage anschauen möchte kann dies leicht realisieren, denn auf dem Videoportal YouTube ist der in mehrere Teile gesplittete Film No Future – Kein Bock auf Illusionen zu sehen, eine 1981 entstandene und in diesem Jahr im Fernsehen gezeigte WDR-Dokumentation über Punk in Duisburg No Future Part 1. (Labermeia: Das im Video gezeigte Konzert der Band Artless Artless  – ‎ Donnerwetter fand im besetzten Haus in Duisburg-Hamborn statt. S. und ich wollten es auch sehen, kamen aber leider aus irgendwelchen Gründen zu spät an. Der Auftritt war bereits beendet und die WDR-Leute packten schon ihr Filmequipment ein. Doof. Im Nachhinein finde ich das sehr schade, denn ich hätte doch gerne Filmaufnahmen von mir betrachtet auf denen ich als 18jähriger Heranwachsender zu sehen bin.)
  Nun gut, wenden wir uns von den Erinnerungen an lange zurückliegende Zeiten ab und richten die Gedanken wieder in Richtung Zukunft, genauer gesagt an den nächsten Beitrag. Für diesen habe ich einen aus der sechsten und letzten Ausgabe des Tiefschlag stammenden Bericht über ein Konzert von Slime  in Wilhelmshaven ausgesucht. Also: NICHT ABSCHALTEN! HIER GEHT ES OHNE WERBEPAUSE WEITER!

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Link zu Punk + Schreiben

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